Angedacht
Fidelio – eine in eine Oper gegossene Ode an die Freiheit
Liebe Leserinnen und Leser!
Unerschütterliche Hoffnung treibt Leonore dazu an, alles auf sich zu nehmen, um ihren Ehemann Florestan zu retten. Er hatte es gewagt, die Wahrheit über den Machtmissbrauch in seinem Land auszusprechen – und war daraufhin im Gefängnis verschwunden.
Ludwig van Beethovens einzige Oper ist viel mehr als die Geschichte einer aufopferungsbereiten Gattin. Das Schicksal von Florestan steht für alle politisch Verfolgten. Aber Beethoven belässt es nicht bei der Schilderung des Unrechts: Verkörpert durch Leonore stellt er der wirkenden Macht die Kraft der Menschlichkeit entgegen. Seit über 200 Jahren hält die Musik dieser großen Befreiungsoper den Glauben daran am Leben, dass Utopien verwirklichbar sind.
Ähnlich utopisch verhält es sich mit einem Satz des Paulus: »Christus hat uns befreit, damit wir endgültig frei sind. Bleibt also standhaft und unterwerft euch nicht wieder dem Joch der Sklaverei!«, ruft er den Gemeinden in Galatien zu (Gal 5,1).
Freiheit hat einen hohen Klang. Immer noch. »Freiheit, die ich meine.« – »Freiheit ist das Ein-zige, was zählt!« Aber welche Freiheit meinen wir? Was ist Freiheit für Dich? Vor nichts und niemandem Angst haben müssen? Sich was trauen – ohne Furcht? Keine Grenzen kennen? Alles ist erlaubt: Ist es das? Oder muss ich mich frei strampeln, indem ich allen Ansprüchen genüge, die andere an mich stellen? Oder muss ich mich verteidigen mit allem, was mir zur Verfügung steht oder zur Verfügung gestellt wird?
Paulus hält die Bindung an Christus für den einzigen Weg zur Freiheit. Doch schon unter den Christenmenschen damals in Galatien waren Zweifel aufgekommen, ob das Vertrauen auf Christus allein wirklich reicht.
Sie hielten es für angezeigt, eine Zusatzbedingung zu erfüllen, eine Art Versicherungskarte, die sicherstellt: Mit dieser Karte bist du Gott recht. Bei den Galatern hieß die Versicherungskarte: Beschneidung. Ein äußeres Zeichen: Du gehörst zu Gott. Ob wir Menschen das äußere Zeichen brauchen?
Ich habe mal gegoogelt: Unser deutsches Wort »Freiheit« hat seine Wurzel in dem mittelalterlichen Wort »Freihals« (so Grimms Wörterbuch). Freihälse waren Menschen, die im wörtlichen Sinne des Wortes freie Hälse hatten. Leute, deren Hals nicht in einem Sklavenring steckte; auf deren Schultern kein fremdes Joch lag. Niemand durfte einen Freihals für seine eigenen Zwecke missbrauchen – und wäre er noch so mächtig und einflussreich.
Freihälse können ihren Blick frei und selbstbestimmt heben. Sie können in den Himmel sehen und träumen – und einander ins Gesicht – und dann frei handeln. Und das, weil Gott die Freiheit schenkt. Wir können uns so als Freihälse begegnen, mit aufrechtem Gang und mit festem Blick.
Freihälse sind von Gott in die Lage versetzt, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Freihälse mischen sich ein, wo Unrecht geschieht. Sie schützen die Verfolgten und bringen die ans Licht, die keiner sehen will. Florestan war ein Freihals. Freihälse setzen sich ein für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Sie können es, weil ihnen als Freihälsen dazu von Gott freie Hand gegeben wird – durch Christus, den wirklich Freien.
Dass wir als Freihälse leben und mutig unseren Weg gehen und unseren Glauben leben können, das wünscht sich Ihr
Pastor Stefan König
